Sonntag, 14. September 2014

HERZLICH WILLKOMMEN. Schuldgefühle

Literatur: Schuldgefühle und innerer Frieden
Autoren: Udo Baer und Gabriele Frick-Baer 
Verlag:  Beltz-Verlag 
Erscheinungsjahr: 2011

Vorwort

Quelle der folgenden Ausführungen ist das Buch Schuldgefühle und innerer Frieden von Udo Baer und Gabriele Frick-Baer, das 2011 im Beltz-Verlag erschienen ist.
Das Werk enthält 159 Seiten, ist sehr anschaulich und gut lesbar geschrieben und wartet mit vielen Beispielen auf. In diesem Beitrag kann ich nur einen knappen Auszug geben und werde auch nicht alle Themen  anschneiden (können). Wer sich näher mit Schuldgefühlen befassen möchte, dem sei dieses Buch wirklich empfohlen.

Wie entstehen Schuldgefühle?

1. Schuldgefühle gegenüber der Gemeinschaft


Schuldgefühle regeln das soziale Miteinander. Durch Schuldgefühle oder durch "ein Gewissen" dem anderen gegenüber kann das Leben und Miteinander in einer Gesellschaft erst funktionieren.

Aus der Nichteinhaltung von Ge- und Verboten resultieren dann die Schuldgefühle.
Wenn ein Mensch Werte, Normen, Regeln  und Grenzen seiner Gemeinschaft missachtet oder übertritt, entstehen Schuldgefühle dieser Gemeinschaft gegenüber, in der der Mensch lebt und der er oder sie sich gegenüber verpflichtet fühlt. Schuldgefühle sind verbunden mit Verantwortungsgefühl.

Verletzt ein Mensch jemand anderen oder tut ihm etwas Böses an, dann wird er sich (in der Regel, wenn er nicht an einer psychischen Störung leidet)  schuldig fühlen, für sein Vergehen eine Strafe erhalten und versuchen, Wiedergutmachung zu leisten und Vergebung zu erlangen..

2. Schuldgefühle gegenüber Partnern / Freunden / Eltern

Auch in Beziehungen spielen - bezüglich des Gebens und Nehmens - Schuldgefühle eine große Rolle. Geben und Nehmen müssen ausgewogen sein. Nimmt ein Mitglied einer Gemeinschaft (Familie) oder ein Partner in einer Partnerschaft mehr, dann wird er oder sie sich in der Regel schuldig fühlen. Die Schuldgefühle können zum Bruch einer Beziehung führen. Derjenige, der weniger gibt oder geben kann, beendet in der Regel diese Beziehung.

Schuldgefühle sind jedoch auch dort anzutreffen, wo der Mensch keinerlei Schuld trägt, er oder sie sich nichts hat zuschulden kommen lassen und diese Gefühle dennoch in dem Menschen wirken, ihn quälen und ihm buchstäblich den Frieden rauben.


3. Wie äußern sich Schuldgefühle?

An dieser Stelle ließe sich antworten: Der Mensch fühlt sich schuldig, bedrückt, ist niedergeschlagen,  hat ein schlechtes Gewissen und weiß - bei Schuldgefühlen ohne Schuld - meist erst einmal gar nicht, warum er sich schuldig fühlt.
Baer/ Frick-Baer schreiben: "Häufig bewegen sich Schuldgefühle im Untergrund. Sie zeigen sich nicht als Schuldgefühle, sondern als andauernde Unruhe, als Spannung gegenüber anderen Menschen oder als Druck, Schwere oder Resignation. All das belastet den inneren Frieden, nach dem Menschen sich sehnen." (Seite 8)


4. Welche Umstände lösen Schuldgefühle ohne Schuld aus?

Menschen können sich schuldig fühlen, obwohl sie sich nichts haben zuschulden kommen lassen. Oft entsteht dieses Schuldgefühl - wie mir beim Lesen des Buches aufgefallen ist - in der Kindheit. Ich führe nun in verkürzter Form 4 Beispiele aus Baer / Frick-Baers Buch an.

5. Vorwürfe der Eltern dem Kind gegenüber

Im ersten Beispiel macht eine Mutter ihre Tochter für ihr schweres Leben verantwortlich. Der Vater ist so gut wie inexistent, fällt als Ansprechpartner aus.
"Ich habe es meiner Mutter immer schwer gemacht. Sie ist sehr früh gestorben, so dass ich jetzt nichts mehr gutmachen kann, aber ich habe es ihr immer schwer gemacht. Alles, was ich gemacht habe, war falsch."
(....) Im Laufe der Jahre brauchte die Mutter gar keine Vorwürfe mehr aussprechen, dass die Tochter schuld an ihrem schweren Leben war. Es reichten die Blicke aus ihren Augen (...)" (Seite 26)

6. Schuldgefühle eines Opfers, das vergewaltigt wurde

Das Opfer stellt sich die Frage, warum es Opfer wurde. Wenn ihm niemand sagt, dass es keinerlei Schuld  an der Situation trägt und wenn es von anderen emotional im Stich gelassen wird und keine Unterstützung seitens der Familie (und Polizei) erfährt, sucht es die Gründe der Schuld bei sich.
"Wäre ich doch nicht diesen Weg gegangen, wäre ich an dem Abend doch zu Hause geblieben, hätte ich doch etwas anderes angehabt....Solche Fragen stellte ich mir immer wieder, und die Antwort war immer: Ich bin selber schuld!" (Seite 37)

7. Traumatisierungen der Großeltern oder Eltern, über die ein Mantel des Schweigens gedeckt wurde

Wenn in einer Familie über belastende Ereignisse (wie z.B. Kriegserfahrungen, die einhergehen mit Ohnmacht, Verzweiflung, Schuld und Scham) nicht gesprochen wird und die grauenhaften Erfahrungen hinuntergeschluckt und ausgeschwiegen werden, können die Traumatisierungen auf die Folge-Generation übertragen werden, obwohl die Folge-Generation nichts mit den Traumata zu tun hatte. Wie funktioniert das?
Auch wenn ein Eltern-Teil nicht über die Vergangenheit spricht, es "strahlt" aus ihm / ihr heraus. Das Kind bekommt  unterschwellig alles mit, denn es ist emotional mit den Eltern verbunden.
Da das Kind seine Eltern glücklich machen möchte, fühlt es sich verantwortlich und möchte helfen. Kinder verzweifeln, wenn sie ihren Eltern nicht helfen können, z.B. auch wenn Themen totgeschwiegen werden.
Aus dem Umstand, nicht helfen zu können, entstehen Schuldgefühle.
"Je angestrengter Eltern Geheimnisse zu verbergen versuchen - unabhängig davon, ob sie sie selbst "wissen" oder nicht aus welchen Gründen auch immer sie sie in sich verschlossen haben - , desto mehr versuchen Kinder, sich in diese Eltern hineinzufühlen, und bekommen so seelisch vieles von dem mit, was die Eltern "vergessen" haben oder vergessen wollten oder ihren Kindern nicht zumuten oder vorenthalten wollten. Dieser Prozess läuft unbewusst ab, sodass die Kinder, auch wenn sie älter werden, die Symptome ihres Leidens nicht mit konkreten traumatischen Erfahrungen in Verbindung bringen können und ihnen desto hilfloser ausgeliefert sind." (Seite 44)

(Zum Thema "Mehrgenerationale Psychotraumatologie" oder "Symbiosetrauma" kannst du dir den filmischen Vortrag von Prof. Dr. Franz Ruppert auf meiner Homepage anschauen: Trauma, Angst, Liebe.

8. Sich verantwortlich fühlen für das Leid eines Elternteils

In dem Beispiel "kann" sich eine Mutter aufgrund ihres Kindes nicht von ihrem untreuen Ehemann scheiden lassen.
"Sie hat immer gesagt, dass sie wegen mir mit meinem Vater zusammengeblieben ist, diesem Drecksack, wie sie meinte. Mir wollte sie die Scheidung nicht antun, das tut man einem Kind nicht an, und deswegen hat sie ausgehalten, obwohl der immer fremdging. Immer hat sie mir das gesagt, immer. Das war ein einziger Vorwurf."


Es gibt noch viele andere Situationen, in denen man sich schuldig fühlen kann, ohne wirklich Schuld auf sich geladen zu haben. Wenn man beispielsweise von seinen Eltern weder gesehen noch gehört wird und ständig ins Leere greift, weil niemand für einen da ist. Oder weil man die von einem geforderte und vorgegebene Leistung nicht erbringen kann. Weil es einen allmächtigen, allessehenden, strafenden Gott gibt. Und, und, und...Wer mehr erfahren möchte, der lese

Udo Baer / Gabriele Frick-Baer: Schuldgefühle und innerer Frieden. Beltz-Verlag, 2011.

Wenn du dir das Buch inhaltlich auf meiner Literatur-Seite anschauen möchtest, dann klick hier.





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